CH = enemy?

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CH = enemy? 1176 797 digiVolution

Aufgrund des dichten Kriegs-Nebels fällt es uns schwer, gültige Lehren zu ziehen, daher haben wir uns dafür entschieden, in diesem Newsletter ein breites Panorama an Kommentaren abzudecken. Zu sagen, dass sich die Geschichte überschlagen hat, ist eine schwache Untertreibung. Für den europäischen Kontinent sind nach mehreren Jahrzehnten einer weitgehend friedlichen Situation (mit Ausnahme des Balkans) die existenziellen Gefahren zurückgekehrt, zweifellos beschleunigt, intensiviert und begünstigt durch die Informationstechnologie und den Daten- und Informationsfluss.

Für die Schweiz als neutrales-aber-dennoch-europäisches-Land-also-Teil-des-westlichen-Blocks ist die Situation unbequem geworden. Wie können wir, insbesondere jetzt auch im Cyberraum, unsere Verpflichtungen als neutraler Staat erfüllen, ein Status, der 1907von der internationalen Gemeinschaft festgelegt wurde, nachdem er uns 1815 von den europäischen Kriegsmächten aufgezwungen wurde, die damals einen neutralisierten Puffer zwischen sich haben wollten?

Manche behaupten, die Schweiz habe ihre Neutralität aufgegeben? NEIN, sie wendet das Völkerrecht und das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen von 2002 an. Und NEIN, die Schweiz ist kein “blinder Passagier” der NATO. Mit ihrer – wenn auch verbesserungswürdigen – bewaffneten Neutralität hat sie immer ihren Teil im Zentrum des Kontinents beigetragen. Die Bezeichnung “blinder Passagier” ist ungerecht gegenüber all jenen, die in unserer Armee oder zugunsten des Weltfriedens gedient haben und dienen.

Mit den Beschlüssen vom 28. Februar, die Schweiz in die europäischen Sanktionen einzubeziehen, und vom 11. März, den Überflug unseres Territoriums durch die Konfliktparteien oder andere Staaten, die eine der Parteien militärisch unterstützen, zu verbieten, sind die Dinge komplexer denn je.  Dies ist eine völlig neue Krise, die jederzeit eskalieren kann und in der der Cyberraum eine Rolle spielt, und zwar in einem Ausmass, das noch nie zuvor gesehen wurde und das manche bislang nicht wahrhaben wollten.

Aus der Sicht von Russland und seinen Verbündeten sind wir aufgrund der Entscheidungen des Bundesrats auf der Gegenseite, auf die abgezielt werden muss. Für die anderen macht uns die Entscheidung über den Luftraum zu Zynikern, die sich von der Hilfe distanzieren, die der Ukraine mit allen Mitteln gewährt werden muss, einem Märtyrerland, das unter dem Beschuss eines Diktators steht, der nunmehr das absolute Böse verkörpert. Ist die Schweiz also jemandes Feind und ein wahrscheinlicheres Ziel als zuvor? CH=Enemy? Der Bericht der Wirtschaftlichen Landesversorgung vom 9. März zeigt zwar, dass die Lage im Moment stabil ist, aber er geht auch davon aus, dass unsere lebenswichtige Infrastruktur Ziel von Vergeltungsmassnahmen werden könnte.

Die Szenarien, die wir in unserem letzten Newsletter beschrieben haben, behalten nicht nur ihre Gültigkeit, sondern die Anschläge könnten auch von einer anderen Seite als der russischen kommen und sich verstärken. Die alte Welt, in der Cyberrisiken nur eine kriminelle Handlung waren, die auf ein reiches und naives Land abzielte, und in dem Cyberterrorismus bestenfalls eine Theorie war, hat ausgedient.

Mit dem Krieg in der Ukraine besteht zudem, wie im Fall von COVID, ein hohes Risiko eines Tunneleffekts, der die Zunahme von Autoritarismus und Populismus (siehe den Bericht von Freedom House), ChinasBestreben, Taiwan das gleiche Schicksal wie der Ukraine aufzuzwingen, und die enormen globalen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Energie und Demografie verschleiert.

Wir sind also in eine neue Dimension eingetreten, die eine neue Haltung erfordert. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Cybersicherheitsstrategie des Bundes und ihre Umsetzung auf kantonaler und kommunaler Ebene sowie in den Unternehmen dies zu berücksichtigen wissen.

Auf dem ausgezeichneten Forum de la Venoge, das am Samstag, den 12. März in Cossonay stattfand, hielt digiVolution ein Plädoyer für die Antizipation. Die Eingeständnisse unserer höchsten zivilen und militärischen Behörden bezüglich des Ausbruchs eines Krieges, den niemand hat kommen sehen, sind nicht gerade beruhigend, da sich die Situation einer unvorbereiteten Schweiz angesichts der grossen Sicherheitsherausforderungen in der Geschichte immer wieder wiederholt.

Weil sich die in unserem vorherigen Newsletter beschriebenen möglichen Entwicklungen – direkte und indirekte Aktionen gegen die lebenswichtige Infrastruktur, gegen die Versorgungsketten und damit die wichtigsten Ressourcen und gegen die soziale und politische/demokratische Ordnung – immer mehr zu materialisieren drohen, müssen wir handeln.

Es müssen kurzfristige Massnahmen ergriffen werden. Wir haben sie in unseren vorherigen Newsletter erwähnt. Die Schlüsselthemen Vertrauen, Widerstandsfähigkeit und Souveränität erfordern jedoch langfristige und tiefgreifende Massnahmen.

Wie auf dem Forum Venoge angekündigt, entwickeln wir daher zwei Leitmassnahmen, die in Kürze veröffentlicht werden und folgende Ziele verfolgen:

  • Entscheidungsträgern im öffentlichen und privaten Bereich eine Situationsanalyse anbieten, die auf unserer strategischen Lageverfolgung und unserer Systemanalyse beruht,
  • der breiten Öffentlichkeit ein “Strassentraining” für die Herausforderungen des digitalen Wandels anbieten.

Die Schweiz hat dafür einen unvergleichlichen Vorteil: die Miliz. Wir müssen diesen Trumpf ausspielen und, wie in unseren letzten Beiträgen vorgeschlagen, das Konzept der Gesamtverteidigung überarbeiten und verjüngen, denn die Schweiz wird durch die Basis stark und tugendhaft werden, um diese Herausforderungen zu meistern.

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Wir wünschen Ihnen eine bereichernde Entdeckung der ausgewählten Artikel und Links und freuen uns darauf, Sie in zwei Wochen wieder zu informieren.

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